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Jan Ignác František Vojta, der Komponist der ältesten erhaltenen böhmisch-mährischen Violinsonaten, der sog. Triptychon-Sonaten

Die vokal-instrumentale Musik spielte um 1700 eine so bedeutende Rolle, dass sie bei Gesellschaftsereignissen immer zugegen war. Prag hatte sich zu einer Grossmacht der Kirchenmusik entwickelt, da auf relativ engem Raum eine grosse Anzahl von Kirchen und Klöstern in der Produktion figuraler Musik miteinander konkurrierten. Vor allem die Jesuiten und Piaristen bildeten ihre Schüler in der Musik aus, um genügend qualifizierte Musiker für ihre Musikaufführungen zu erziehen.

So erhielt auch Jan Ignác František Vojta seine allgemeine wie musikalische Grundausbildung im Seminar der Jesuiten zum Hl. Wenzel in der Prager Altstadt. Dort erlernte er gründlich Latein, Grammatik, Poesie und Rethorik. Eine Bildung diesen Grades, ergänzt durch Studien der Logik, Physik und Metaphysik an der philosophischen Fakultät, musste sich auch in Vojtas Kompositionen niederschlagen.

Vojta stammte aus Èernovice, wie aus seiner eigenhändigen Immatrikulation hervorgeht. Sein Bakalaureat der Philosophie legte er am 20. Mai 1677 ab, mit dem Medizinstudien begann er 1678 und 1684 beendet er dieses. Ein Druck seiner Doktorarbeit wird heute in den Bibliotheken von Brünn, Olmütz und Wien aufbewahrt.

Im Druck gab er auch das für studentische Aufführungen bestimmte Krippenspiel Tripudium Salvatoris heraus, dem eine umfangreiche, undatierte Kantate für Sopran, Bass und Continuo Threnodia huius temporis folgte.

Ausser Vojtas eigenhändiger Immatrikulation liegen uns leider keine weiteren Quellen vor. Wir wissen lediglich, dass er sich der Musik und Medizin widmete. Er wirkte als Hausarzt der Benediktiner am Kloster zum Hl. Nikolaus in Prag und galt in dieser Zeit als angesehener Komponist. Vojta erteilte auch Kompositionsunterricht, zu seinen Schülern zählte der regens chori Pater Prokop Smrkovský, der später Wenzel Jakob-Gunther im Gesang unterrichtete und dieser wiederum war 1718 Gesangslehrer des berühmten, späteren Berliner Kapellmeisters František Benda.

Wir können davon ausgehen, dass Vojta mit Thomas Balthasar Janovka, einer aufgrund seiner Herausgabe der in lateinischer Sprache abgefassten Musiklehre Clavis ad thesaurum magnae artis von 1701 bedeutenden böhmischen Persönlichkeit, in Kontakt stand. Janovka, Magister der Philosophie und Doktor der Medizin, war als Organist an der Teinkirche am Altstädter Platz tätig und wohnte in unmittelbarer Nachbarschaft Vojtas im Teiner Stadtviertel.

Es lässt sich schwer abschätzen, welch fruchtbarer Komponist Vojta war. Es haben sich Nachrichten über 27 Kompositionen erhalten, von denen bislang 8 in Brünn, Prag, Wien und Paris nachgewiesen werden konnten.

Im Weiteren soll jedoch die Bedeutung der Triptychon-Sonaten Vojtas herausgestellt werden, die sich in der Abschrift einer Sammlung von Violinsonaten im Musikarchiv der Minoriten in Wien erhalten haben. Auf diese Sammlung hat bereits Friedrich W. Riedel 1983[1] hingewiesen.

Die Entstehung dieser Handschrift kann auf das Ende des 17. Jahrhunderts datiert werden und beinhaltet 102 numerierte Sonaten für Violine und Generalbass. Das Manuskript ist sehr gut erhalten wie lesbar. Teilweise handelt es sich um die komplette Abschrift zeitgenössischer Drucke der Werke H. I. Fr. Bibers, J. J. Walthers und I. Albertins.

Daneben findet sich eine Reihe von Kompositionen, deren Autor erwähnt ist: Antonio Bertali, J. H. Biber, N. Faber, Rupert Ignaz Mair, J. H. Schmelzer, Schmelzer (ohne Vornamen respektive dessen Initialen), Johann Kaspar Teubner, Bonaventura Viviani, Joan Voita. 24 Sonaten dieser Handschrift sind anonym.

Zehn der nicht aus einem Druck übernommenen Sonaten stehen in Scordatur und sind von Schmelzer, Faber und Vojta, wobei acht verschiedene Scordaturen Verwendung finden.

Die Violionsonaten Vojtas können sich aus musikalischer wie teschnisch-anspruchsvoller Sicht gänzlich mit den hier ebenfalls vertretenen Werken der bedeutendsten Komponisten dieser Zeit messen und sind ein Musterbeispiel für das geigentechnische wie kompositorische Niveau der Prager Violinisten um 1700.

Vojtas Sonaten finden sich in der erwähnten Sammlung unter den Nummern 70, 71, 72, die ersten beiden Sonaten sind in der Scordatur h, fis1, h1, e2, die dritte in c1, g1, c2, f2 gestimmt.

Die Verwendung verschiedener Stimmungen war in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sehr beliebt. Als bedeutendstes Beispiel hierfür seien Bibers Mysterien-Sonaten erwähnt, wobei hier die Farbe verschiedener Skordaturen zur Unterstreichung des Ausdrucks, der Affekte einzelner Stationen des Rosenkranzes eingesetzt wird. Bei Vojtas Sonaten erscheint die Bedeutung der Skordatur in ähnlichem Licht, sogar eine aussermusikalische Struktur scheint nachweisbar. Dennoch weiss Vojta die Skordatur, das “Verstimmen” der beiden unteren Saiten um eine Terz oder Quart, als starkes Ausdrucksmittel meisterhaft einzusetzen. Hierdurch entsteht ein klarer, kerniger Klang, was im Falle aller Sonaten ganz dem Charakter wie Grundaffekt entspricht.

Sonate Nr. 1

Die erste der Sonaten steht in h-moll mit Skordatur h, fis1, h1, e2, die zu Beginn des ersten Satzes aufgezeigt ist. Die Sonate ist in der dem gängigen Fingersatz angepassten Weise notiert. Man findet folgende Affektbezeichnungen tardissimo, tardo, allegro, presto, an dynamischen Zeichen verwendet der Autor piano, p. f.

J. I. F. Vojta beherrschte als Jesuitenschüler sehr gut die Affekttheorien seiner Zeit, was wir in seinen Kompositionen verfolgen können und dies ist auch ein Schlüssel zu deren richtiger Interpretation. Die Einleitungsteile der ersten beiden Violinsonaten sind aus diesem Gesichtspunkt äusserst interessant, wie auch die Verwendung der wenig gebräuchlichen Tonart h-moll, in welche Vojta schon allein aufgrund der Skordatur führt und all derer natürlichen Möglichkeiten wie auch die der Violine ausnützen kann.

Bei Betrachtung des Beginns der ersten Sonate fällt die konsekutive Verwendung des Tonarten-Dreiklangs in einer quasi Dimunition des Intervalles auf. Zugleich findet sich hier eine rhythmische Diminution: q k / e q k / x x x q . Der erste Melodiebogen umfasst zwei Takte, der zweite findet sich innerhalb nur eines Taktes, der dritte innerhalb einer Takthälfte – also wiederum eine dreifache Diminution, wobei der Komponist den Höhepunkt des ersten Melodiebogens, einer Diminution in Verzierung der kleinen Terz h-d verwendet. Die Einführungsmelodie setzt sich aus drei Oktaven, drei Melodiebögen und drei Diminutionen zusammen: ein Blick auf die Zahlensymbolik (Trinitas) bietet sich an (3 x 3 = 9).

Aus technischer Sicht finden alle geigentypischen, der Entstehungszeit entsprechenden Mittel Anwendung, jedoch die Eingangsmelodie erreicht den in sechster Lage liegenden Ton g3, was nicht als gerade gängig bezeichnet werden kann. Im ersten Takt zeichnet der Komponist bei Verwendung dreier Aliquoten eine emphatische Linie, wobei diese Töne auf den leeren Saiten liegen und somit optimal das Instrument in der ganzen Pracht seiner Klangqualitäten erklingen lassen. Somit ist auch der Grundaffekt dieser Sonate schon im ersten Takt ausgedrückt, jene Bewegung hinauf zum Himmel mit reinen, konsonanten Intervallen der Oktave, Quinte und Quarte, die die gleiche Affektkonotation aufweisen: Freude, Herzlichkeit, Sicherheit, Mut.

Nach dem sich über drei Oktaven spannenden, achttaktigen Melodiebogen des Anfangs steigt die Melodie in Doppelgriffen herab, um die tiefste, wiederum leere Saite zu erreichen. Damit ist ein 16-taktiger, sehr effektvoller Abschnitt geschlossen, wobei sich die Eingangsmelodie als lediglich verzierter, zerlegter h-moll Akkord zeigt und Vojta interessante, freie Kadenzformen zum Abschluss der einzelnen Glieder verwendet.

Der zweite Teil dieser Sonate beginnt mit der zweiten Tongruppe des Eingangsbogens, nachfolgend finden sich drei angedeutete Verarbeitungstypen: Imitation zwischen Diskant und Bass (7 Takte), freie Verzierungen über feststehendem Bass (7 Takte) und harmonisch-akordische Arbeit (6 Takte).

Der dritte Teil beginnt mit der dritten Tongruppe des Eingangsbogens und steht im ¾ Takt; dieser stylisierte Tanzformen verwendete Teil zeigt zugleich, wie Violinisten die Skordatur zur Betonung der schweren Taktzeiten in Akkorden verwendeten. Das darauf folgende Presto erreicht durch den dreimal vorgestellten Wechsel mit zweitaktigen Tardissmio-Einschüben eine starke Wirkung. Diese Einschübe nehmen gleichsam in Gedanken das 20-taktige Tardo voraus. Diesem wiederum gehen zwei Takte schneller Zweiunddreissigstel-Läufe als Abschluss des Vorhergehenden voraus. Hier verwendet also Vojta ein sehr interessantes Element, eine Art Vorausahnen oder Vorwegnehmen des kommenden Affektes, denn am Schluss wechselt das melancholische Tardo mit einem wilden Abschnitt schneller Zweiunddreissigstel ab, in welchem die schnelle Passage vom harmonischen Effekt der Barriolage profitiert. Die Sonate hat eine interessante Basslinie und ist harmonisch reich. Vojta verwendet eine gleiche Anzahl von Satztypen wie Biber in seinen Sonaten von 1681.

Sonate Nr. 2

Auch die zweite Sonate steht in h-moll unter Verwendung der gleichen Skordatur und den Bezeichnungen: Presto, Vale tardo, pp. Die Notierung folgt der der ersten Sonate.

Im Gegensatz zur ersten Sonate, wo Vojta ein drei Oktaven umspannendes Motiv einsetzt, genügt ihm hier für Gradierung und Spannungsaufbau lediglich eine kleine Terz. Wiederum auf der leeren Saite beginnend verwendet er die leere Saite mit einer Halben h1. In der zweiten Takthälfte setzt er die Prim auf der nächstliegenden Saite hinzu und bringt das Instrument in eine sehr starke Schwingung. Im zweiten Takt erhöht die Spannung eine Dissonanz – eine Sekunde, die zur Mollterz entwickelt wird. Mit diesem einfachen Mittel erzeugt Vojta in den beiden Eingangstakten eine grosse Spannung. Der Grundaffekt dieser Sonate ist bereits im ersten Takt durch die Einengung der Melodie in die kleine Terz ausgedrückt, die der barocken Affekttheorie nach schmerzhaft, trauernd, klagend ist. Auch die grosse Sekunde trägt bereits in der Hälfte des ersten Taktes einen starken Pathos. Erinnern wir uns, was Mattheson noch 1713 über h-moll schreibt: “…ist bizzare, unlustig und melancholisch; deswegen er auch selten zum Vorschein kommt”, nach Charpentiera ist h-moll “solitaire et mélancolique”

Der dritte Takt ist eine Art Durchführung des ersten Taktes, dem hingegen ist der vierte Takt eine Kadenz mit Abschluss auf der wiederum leeren Saite. Benötigte Vojat zum Ausdruck des Grundaffektes der ersten Sonate 16 Takte, reichen ihm hier vier. Der insgesamt achzehn Takte umfassende Einleitungsteil wird durch eine zweitaktige, in der Violinstimme sehr singhafte Kadenz unterteilt und mit einer für Vojta so typischen freien Kadenz beendet.

Der nächste, mit Presto bezeichnete Abschnitt hat 35 Takte. Die Verwendung eines aus ungerader Taktzahl bestehenden Abschnitts lässt aufhorchen. Unordnung, Zerrüttetheit, Schmerz scheinen sich anzukündigen. Bereits im siebten Takt finden wir das Zitat der Violinkadenz aus dem ersten Teil.

In der zweiten Sonate fehlen dynamische Bezeichnungen, wenngleich sich diese hier geradezu anbieten. Dies scheint ein Merkmal für Vojta zu sein, den man auch am Ende dieser Sonate, wo die sich wiederholende Schlussfloskel mit pp bezeichnet ist, findet.

Ein 12/8-Tanzrythmus erleichtert etwas die Stimmung, was aufgrund zerlegter Akkordbrechungen und die so typische Barriolage lebendig wirkt. Ein Kontrast hierzu ist die nachfolgende, jetzt in sechs Takten leicht umgearbeitete Eingangsmelodie. Der Effekt von Akkordbrechungen gehörte wohl zu Vojtas beliebten Affektmitteln.

Der letzte Sonatenabschnitt ist mit Vale tardo im 3/2 Takt bezeichnet, in zwei Teile gegliedert und endet im pianissimo.

Sonate Nr. 3

Die dritte Sonate hat die Skordatur c1, g1, c1, f2 mit folgenden Bezeichnungen: Tardo, pp und Legatobögen.

Die Umstimmung der Violine in die angegebene Skordatur hat eine deutliche Klangveränderung hin zum Schärferen zur Folge. Die Tonart C-dur scheint Vojta zum Ausdruck eines freudigeren, feierlicheren und sorglosen Charakters beflügelt zu haben. Johann Mattheson schreibt zu C-Dur: ”hat eine ziemlich rude und freche Eigenschafft, wird aber zu Rejouissancen und wo man sonst der Freude ihren Lauff läst, nicht ungeschickt seyn; dem ungeachtet kan ein habiler componist … zu gar was charmantes umtauffen, und füglich auch in tendren Fällen anbringen” und Charpantier fügt hinzu “gay et guerier”.

Die Form der dritten Sonate strebt eine formelle Gleichmässigkeit an. Der Eingangsteil hat 28 Takte, die Form A-B-A ist nach acht Takten für die bei Vojta so typischen Elemente, wie freie Bass-Kadenzen und Wiederholung einer zweitaktischen Kadenz im piano unterbrochen. Die nachfolgenden zwanzig Takte werden von einem aufbauschenden Siebenton-Bogen des C-dur –Akkords begonnen, der auf dritter Stufe gleich einem Fragezeichen endet. Dieser findet eine Antwort in den nachfolgenden sechzehn Takten einer Doppelgriff-Passage lyrischen Charakters. Der im 12/8 Takt stehende Mittelteil ist in zwei wiederholte Teile gegliedert, die wiederum mit einer zweitaktischen freien Bass-Kadenz abgeschlossen werden. Bei dem Tardo handelt es sich um einen harmonischen Abschnitt schneller, zerlegter Akkorde. Die Sonate endet mit einer Wiederholung des Eingangsteiles ohne dessen B-Abschnitt.

Ein Blick auf alle drei Sonaten Vojtas legt den Gedanken nahe, dass es sich um eine Einheit handelt. Die Trinitas symbolisierende Drei verbunden mit der Verwendung reiner Intervalle scheinen ein Symbol für jene reine Liebe zu sein, aus jener Jesus hervorging. Die Leiden des Gottessohnes bis hin zu dessen Kreuzigung hingegen zeichnet die zweite Sonate. Klare Ordnung und Freude, die Feier der Auferstehung sind in der dritten Sonate symbolisiert. Gleich einem Triptychon stellt Vojta hier das Leben Jesu dar. Daher schlage ich vor, jenen Sonatenzyklus als Triptychon-Sonaten zu bezeichnen, wobei sich ein ergänzendes Werk zu Bibers Rosenkranz-Sonaten offentut.

Jiøí Kvìton
Andreas Hoffmann (Kröper)

1 Friedrich W. Riedel, Zur deutschen Violinsonate mit Generalbass um 1680, in: Jakob Steiner und seine Zeit, Innsbruck 1983, s. 126.